Weinviertler Getreide

unbekannt
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Traditioneller Getreideanbau verschiedener Getreidesorten in der Region Weinviertel, Niederösterreich.

Registernummer: 111

Offenlegungsdatum

Der Bezirk Hollabrunn war schon vor 6.000 Jahren mit Bauern besiedelt, die in Flechtwerkhäusern lebten und Ackerbau und Viehzucht betrieben.

Titel

Weinviertler Getreide

Kurzdarstellung oder Behauptung

Traditioneller Getreideanbau verschiedener Getreidesorten in der Region Weinviertel, Niederösterreich.
Besondere Boden- und klimatische Verhältnisse in der Region bewirken im Zusammenspiel mit den Anbauverfahren, der Ernte und den Lagerungsbedingungen Getreide von höchster Qualität mit besonders hohem Gehalt an Klebereiweiß und ausgezeichneter Backfähigkeit.

Produktbezeichnung, Produktklasse

Süßgräser, Getreide

Name der Region

Westliches Weinviertel, Niederösterreich, Österreich

Suchgebiet

Lebensmittel und Landwirtschaft

Name des Informationsgebers

Michael Staribacher
Geschäftsführer Verein „Genussregion Weinviertler Getreide“

Name des Antragstellers für den Titel

Keine Angabe

Inhaber des Wissens oder zugehöriger Quellen

Landwirte, Mühlen, Bäckereien, Lagerhäuser aus der Region Weinviertel
vertreten im Verein „Genussregion Weinviertler Getreide“

Empfänger, Inhaber, Bevollmächtigter, Eigentümer eines Titels

Keine Angabe

Beschreibung

Geschichte:

Die geschichtliche Entwicklung der Getreidenahrung ist eng mit der Kulturgeschichte der Menschheit verbunden. Bereits die Ägypter haben den Getreidebau und die Broterzeugung in besonderem Maße entwickelt und verbreitet. Schon in den Hockergräbern Ägyptens aus dem 5. und 6. Jahrtausend vor Christus, sowie in den Grabkammern der Pyramiden wurden Emmer und Gerste gefunden.

Die meisten europäischen Funde weisen auf den Beginn des Ackerbaues in der jüngsten Steinzeit (3000 bis 2500 vor Christus) hin. Damals wurden zum Teil Hirse, Gerste, Hülsenfruchtarten, Lein, Dinkel- und Einkornweizen gebaut. Gleichzeitig stand auch in China der Getreidebau in hoher Blüte.

Auch bei der Entstehung und dem Verfall des Römischen Reiches spielten das Getreide und sein Anbau eine Rolle.
Die Ernährung der Legionen, die das römische Weltreich eroberten, bestand zum Großteil aus Getreide in Form von Brei oder Brot.
Als im Römischen Reich der Getreideanbau zurückgedrängt wurde, weil die so genannte Latifundienwirtschaft mit Viehzucht dominierte, wurde das lebensnotwendige Getreide aus Sizilien, Spanien und Nordafrika importiert. Der Verlust dieser Provinzen und dem damit verbundenen Ausbleiben der wichtigen Getreidelieferungen trug zum Niedergang des Römischen Reiches bei.

Roggen taucht erst in der Bronzezeit (1800 bis 1000 vor Christus) auf. Auf Grund seiner Winterhärte und Widerstandsfähigkeit war er zum Teil sehr stark verbreitet. Ursprünglich kam er als Beikraut im Weizen nach Mitteleuropa. Während des Mittelalters war er in Europa wesentlich verbreiteter als Weizen.

Mitte des 19. Jahrhunderts erkannte Justus von Liebig die Bedeutung der Mineralstoffdüngung (Phosphor, Kali, Stickstoff) für den Pflanzenbau wodurch die Ernteerträge beachtlich gesteigert werden konnten.

Getreideanbau im Weinviertel:

Schon zwischen 5000 und 6000 vor Christus bewirtschafteten jungsteinzeitliche Bauern das Weinviertel. Sie rodeten mit Steinäxten Waldland und bauten auf kleinen Feldern mit Hilfe von Grabstöcken Getreide an.
Der Bezirk Hollabrunn wurde nachweislich in der Jungsteinzeit von Bauern besiedelt, welche in Flechtwerkhäusern lebten und Ackerbau und Viehzucht betrieben.

In der Gemeinde Pulkau (Bezirk Hollabrunn) wurden Gruben, die vermutlich der Getreidelagerung dienten, aus der frühen bis mittleren Bronzezeit entdeckt.
Für die Gemeinden Maissau und Hollabrunn sind in der Spätbronzezeit an Kultur- und Nutzpflanzen hauptsächlich Gemeiner Weizen, Zwergweizen, Roggen und in geringem Maße Emmer, vierzeilige Gerste, Hirse und Raps nachgewiesen.

Das gebräuchliche Getreidemaß war der Metzen (altes österreichisches Maß für das Volumen), wobei der Metzen zunächst regional verschieden genormt war. Der „Stockerauer Metzen“ (Stockerau ist eine Gemeinde im Weinviertel) galt jedoch mit 61,487 Liter als der gebräuchlichste.

Geschichte der Mühlenwirtschaft:

Der niederösterreichische Müller Ignaz Paur (1778 bis 1842) erfand um 1810 die neue Mahlmethode der „Wiener Hoch- und Grießmüllerei“ zur Entfernung von Kleieteilchen aus dem Grieß (zur Qualitätssteigerung) und leistete damit einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Getreideverarbeitung.
Niederösterreich hatte einst eine reiche Mühlenindustrie. Ende des 19. Jahrhunderts gab es in dem Bundesland 233 größere Mühlen.

Windmühlen wurden im Weinviertel erstmals gegen Ende des 16. Jahrhunderts erwähnt. Aufgrund mangelnder Wassermühlen in der Region wurde der Bau von Windmühlen im späten 18. Jahrhundert staatlich gefördert. Sie erreichten jedoch niemals die Bedeutung der an die Wasserkraft gebundenen Mühlwerke. Dampfmühlen etablierten sich seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur zögerlich. Der Durchbruch zur Industriemühle erfolgte im 20. Jahrhundert in Folge der Elektrifizierung.

Gebiet/Region:

Das hügelige Weinviertel liegt im Nordosten Niederösterreichs. Der Name „Weinviertel“ ist seit etwa einem Jahrhundert gebräuchlich.
Im Osten grenzt das Weinviertel mit dem Fluss March an die Slowakei, im Norden an Böhmen (Tschechien). Im Süden bilden der Wagram, die Donau und das Marchfeld die Grenze zum Mostviertel und Industrieviertel. Im Westen stellt der Manhartsberg die Abgrenzung zum Waldviertel dar.
Das Weinviertel umfasst die Bezirke Gänserndorf, Hollabrunn, Korneuburg und Mistelbach und kleine Teile der Bezirke Tulln, Horn, Krems-Land und Wien-Umgebung.

Das Weinviertel wird durch die Waschbergzone (Rohrwald, Leiser Berge, Staatzer Klippe und Falkensteiner Berge) in einen östlichen und einen westlichen Teil getrennt, der Molassezone mit sanften Hügeln und breiten Muldentälern im Westen und dem nördlichen Wiener Becken und dem Marchfeld im Osten.
Das Westliche Weinviertel liegt zwischen dem Manhartsberg und den Leiser Bergen und umfasst den Landschaftspark Schmidatal, das Retzer Land, Pulkautal und das Land um Hollabrunn.

Boden- und Klimaverhältnisse:

Die Bodentypen in der Region Weinviertel sind auf Grund des großen Gebietes sehr unterschiedlich. Es dominieren Löss-, Lehm-, Urgestein- und Schwarzerdeböden.

Das Klima ist kontinental mit pannonischem Einfluss im äußersten Osten. Die Sommer sind überwiegend heiß und trocken; die Winter kalt, schneearm und frostreich.
Die Jahresmitteltemperatur liegt bei 10,4 Grad Celsius. Der jährliche Niederschlag ist gering, zwischen 500 und 600 Millimeter.

Die Landschaft des Weinviertels ist vom Getreide- und Weinbau geprägt. Vom 278.000 Hektar fruchtbarem Ackerland werden rund 158.317 Hektar für den Getreideanbau genutzt. Etwa 6 Prozent der gesamten Getreidefläche wird nach biologischen Richtlinien angebaut.

Das trockene Klima verhindert zwar hohe Getreideerträge, bietet jedoch ideale Bedingungen für Qualitätsgetreide mit besonders hohem Gehalt an Klebereiweiß und ausgezeichneter Backqualität.

Getreide:

Der Begriff „Getreide“ ist eine Sammelbezeichnung für landwirtschaftlich kultivierte Pflanzen aus der Familie der Süßgräser (Poaceae).
Die Bezeichnung „Getreide“ stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet „von der Erde Getragenes“.

Zu den sieben wirtschaftlich bedeutendsten Getreidearten, welche weltweit die Hauptnahrungsquelle für Mensch und Tier darstellen, zählen: Weizen (Triticum aestivum L.), Roggen (Secale cereale L.), Gerste (Hordeum vulgare L.), Reis (Oryza), Mais (Zea mays), Hirse und Hafer (Avena sativa L).

Weinviertler Getreide:

In der Genuss Region Weinviertler Getreide werden als Hauptgetreidesorten Winterweichweizen, Sommerhartweizen und Braugerste angebaut. Weiters werden Winterroggen, Wintergerste (als Futtermittel) und Hafer (als Futtermittel) kultiviert.

Winterweichweizen wird in der Region großteils als Premiumweizen angebaut.
Der Weinviertler Premiumweizen zeichnet sich unter anderem durch einen besonders hohen Kleber- und Proteingehalt aus. Neben der Proteinqualität und der Stärkeverkleisterung wird das als wichtigstes Kriterium für die Backfähigkeit am Weizenmehlsektor gewertet. Er zeichnet sich durch einen Proteingehalt von mindestens 15 Prozent sowie einer Fallzahl von 280 (Angabe zur Backfähigkeit). Der Klebergehalt des Premiumweizens aus der „Genuss Region Weinviertler Getreide“ besitzt einen besonders hohen Klebergehalt (über 33 Prozent).
Vorwiegend handelt es sich dabei um die Sorten Capo, Josef und Renan.

Erzeugungsverfahren:

Weinviertler Getreide wird nach den Vorgaben des Österreichischen Programms zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL) angebaut.

Saatgut:

Das Saatgut wird in der Probstdorfer Saatgut im Marchfeld gezüchtet, in der Region bei Vertragsbauern vermehrt und über die Lagerhäuser an die Landwirte verkauft.
Den Nachbau produzieren die Landwirte selbst. Zu diesem Zweck wird vom Originalsaatgut Erntegut entnommen und gelagert.

Boden und Düngung:

Weinviertler Getreide wird ausschließlich auf Flächen kultiviert, die in einer Ackerschlagkartei eines Landwirts verzeichnet sind. Dies sichert die Rückverfolgbarkeit bis zum Feld.

Weinviertler Getreide wird sowohl mit organischen (Gülle, Festmist und andere) als auch mit anorganischen Düngern (Stickstoff, Phosphor und Kali) behandelt. Organische Dünger stammen von den Landwirten selbst, anorganische werden zugekauft.

Die Düngung unterliegt den Anforderungen des Österreichischen Programms zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL).
Die Düngegaben sind in der Ackerschlagkartei zu dokumentieren.

Über den Winter (vegetationslose Zeit) muss mindestens ein Drittel der Gesamtackerfläche begrünt werden, um den Nitrateintrag in den Boden zu vermindern.

Fruchtfolge:

In der Region erfolgt eine ständig wechselnde Fruchtfolge, um das Risiko von Getreidekrankheiten zu minimieren.
Getreide wird circa viermal hintereinander in Abwechslung (zum Beispiel Weizen, Gerste, Roggen und so weiter) angebaut. Ein unmittelbares Aufeinanderfolgen ein und derselben Getreideart wird vermieden. Etwa alle 5 Jahre werden statt Getreide Zuckerrüben, Sonnenblumen, Mais, Kartoffel et cetera auf dem Feld kultiviert.

Anbau:

Vor der Aussaat wird der Boden mit Grubber, Pflug, Egge und/oder Saatbeetkombination (besteht aus Egge und Sämaschine) bearbeitet.
Das Saatgut wird vor der Bodeneinbringung geputzt und gebeizt.
Die Aussaat erfolgt von Anfang Oktober bis Mitte November, wobei zwischen 15. bis 26. Oktober die Hauptanbauzeit ist.

150 bis 180 Kilogramm Saatgut werden pro Hektar ausgebracht.
Nach dem Säen wird der Boden mittels einer Cambridgewalze bearbeitet.

Bewässerung:

Das Getreide wird nicht künstlich bewässert.

Pflanzenschutzmaßnahmen:

Pflanzenschutzmaßnahmen werden nur bei Erreichen von definierten Schadschwellen eingesetzt.
Es sind die Vorgaben des Österreichischen Programms zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL) einzuhalten.
Die Unkrautbekämpfung erfolgt mechanisch mittels Striegel (landwirtschaftliches Gerät mit Zinken, das durch Verschütten der Beikräuter sowie durch Ausreißen und Lockerung der oberen Bodenschicht wirkt) oder mit Hilfe von Pflanzenschutzmitteln, die im Österreichischen Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft erlaubt sind.

Ernte und Lagerung:

Die Ernte erfolgt von Mitte Juli bis Anfang August. Der jährliche Ertrag beträgt 5.500 bis 6.000 Kilogramm pro Hektar, für Bio-Getreide etwa 1.000 Kilogramm weniger.

Das Getreide wird nach strengen Richtlinien in den örtlichen Raiffeisenlagerhäusern bis zu einem Jahr unter trockenen Bedingungen getrennt gelagert.

Weinviertler Getreide wird in zwei Mühlen in Sierndorf und Wilfersdorf vermahlen.

Ursprungsnachweis:

Getreide aus dem Weinviertel garantiert eine nachvollziehbare Herkunft und Produktionsweise. Mit Hilfe des elektronischen Produktepass (erstellt von der Raiffeisen Ware Austria AG und der Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien), kann jedes Korn in jeder Verarbeitungsstufe bis auf den Acker, auf dem es gewachsen ist, zurückverfolgt werden.

Qualität- und Qualitätskontrolle:

Die Produktion von Weinviertler Getreide unterliegt den Bestimmungen des ÖPUL.
Kontrollen finden durch die örtlichen Lagerhäuser statt, welche die Herkunft sowie die Qualität des Getreides beim Abliefern kontrollieren und überwachen.

Die Biolandwirtschaft erfolgt nach den Vorgaben der EU-Verordnung für ökologische/biologische Produktion 834/2007. Die Einhaltung wird einmal jährlich von unabhängigen, staatlich autorisierten Kontrollstellen überprüft.

Vermarktung:

Das Haushaltsmehl der „Genussregion Weinviertler Getreide“ ist im Lebensmittelhandel vertreten. Das Projekt hat das Ziel das Image und die Bekanntheit landwirtschaftlicher und gewerblicher/industrieller Produkte aus Niederösterreich zu steigern und unter einem gemeinsamen Auftritt über den Lebensmitteleinzelhandel zu vermarkten.

Zusammenhang mit dem geographischen Gebiet und Traditionellem Wissen:

  • Spezielle leichte, sandig-lehmige Böden, welche nährstoffreich sind, und das trockene Klima bieten ideale Bedingungen für den Anbau von Getreide von höchster Qualität.
  • Die Erzeugung von Weinviertler Getreide ist das Ergebnis des Traditionellen Wissens, das an die in diesem Bereich Tätigen weitergegeben wurde: Traditionelles Wissen und Erfahrung der Getreidebauern (Anpassung der Produktion an die Gegebenheiten der Umwelt, Auswahl von Sorten, Know-how des Ernteoptimums, traditionelle Methoden des Anbaus und der Ernte) und der Erfahrung der Vermarkter und Wissen um die Verarbeitung von Getreide.

Verwertung:

Weinviertler Getreide wird in Form von Mehl sowie in Form von diversen Brot- und Gebäckarten sowie Teigwaren über regionale Bäckereien angeboten. Besondere Brot- und Gebäckspezialitäten der Region sind das „Weinviertel-Brot“, ein Mischbrot aus Weinviertler Getreide mit Wasser, Salz, Hefe und Natursauerteig – erkennbar an seiner quadratischen Form mit den „4 Scherzeln“.

Weiters wird das Weinviertler Getreide (Hartweizengrieß) zu diverse Teigwaren verarbeitet.

Schutz:

Wortbildmarke „Weinviertel Brot“ (Österreichisches Patentamt)

Schlüsselworte

Lebensmittel und Landwirtschaft, Traditionelles Wissen, Österreich, Region, Weinviertel, Getreide, Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Premiumweizen, Weinviertler Getreide

Bibliographie / Referenzen

Letzter Zugriff aller Internetreferenzen erfolgte am 19.12.2023.

Sprachcode

Deutsch

Regionaler Ansprechpartner

Philipp STOIBER, Obmann
Genuss Region Weinviertler Getreide
Bahnstraße 12, 2020 Hollabrunn
Telefon: +43 2952 35223 (AGRAR PLUS)
E-Mail: weinviertel@agrarplus.at

Autoren

Mag.a Doris Reinthaler, Mag.a Eva Sommer, Dr. Erhard Höbaus überarbeitet von Ing. Michael Staribacher